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Der Modernisierer

Ein Kommentar von Tobias Schulz

"Es ist Zeit für einen Generationswechsel, Baden-Württemberg braucht frischen Wind" - in etwa so lauteten die Parolen, mit denen Günther Oettinger Anfang 2005 seinen Vorgänger, den beliebten Ministerpräsidenten Erwin Teufel, aus dem Amt drängte. Natürlich war - von ein paar Randgruppen wie z.B. der Jungen Union abgesehen - niemand gefragt worden, ob er des Landesvaters Teufel wirklich überdrüssig sei, dies wurde einfach so behauptet.

Und so nahm das Schicksal seinen Lauf, Erwin Teufel wurde auf's Altenteil befördert, und der selbsternannte Modernisierer Oettinger übernahm das Steuer. Als Zeichen der neuen Modernität und Weltoffenheit (oder was er dafür hielt) machte er dann sogleich den Singener OB Andreas Renner zum Sozialminister. Der war so dermaßen modern, daß er nicht nur bundesweit durch seinen Brilli im Ohr Aufsehen erregte, sondern auch - sozusagen als Zeichen der neuen Weltoffenheit Baden-Württembergs -  einen katholischen Bischof beleidigte, der sich zu Recht gewundert hatte, warum denn ausgerechnet ein CDU-Minister die Schirmherrschaft der Stuttgarter Schwulenparade übernehmen müsse.

Das war für den ein oder anderen in der CDU dann doch etwas zu viel der schönen neuen Moderne, und so blieb Oettinger nichts anderes übrig, als Renner den Rücktritt nahezulegen - allerdings nur aus Gründen der Parteiräson und nicht, weil er die Fehltritte Renners als solche verurteilt hätte.

Danach hörte man nicht mehr viel aus Stuttgart. Für's erste war genug modernisiert, der neue Landesvater reiste durch's ganze Land, um endlich zu größerer Popularität und Beliebtheit zu gelangen. Landauf, landab - es gab keine Feier oder Ehrung, in der Günther Oettinger nicht in die Objektive grinste.  Aber es stand ja auch bald der Wahlkampf vor der Türe, und da konnte es ja nichts schaden, wenn man sich unter anderem auch im Glanze von Georg Hettichs Goldmedallie bei dessen Empfang in Schonach mitsonnte.

Im folgenden Landtagswahlkampf machte Modernisierer Oettinger dann viel von sich reden. Er hatte unzählige tolle Ideen, wie z.B. den Schulanfang generell auf neun Uhr morgens zu verschieben. Ein anderer schöner Vorschlag war ein Lohnverzicht für ältere Arbeitnehmer.

Günther Oettinger konnte machen und sagen was er wollte - die Landtagswahl brachte dennoch ein hervorragendes Ergebnis für die CDU, die absolute Mehrheit wurde nur knapp verfehlt. Dies hatte die CDU aber nicht der Strahlkraft ihres Ministerpräsidenten und  dessen Beliebtheit zu verdanken (der in der eigenen Partei ebenfalls sehr beliebt ist, so daß beim Wahlkampfauftakt der CDU die Europahalle in Karlsruhe nur zu einem Drittel gefüllt war und neunzig Prozent der Anwesenden schwäbische Mitbürger vom "Team Oettinger" waren.)
Ausschlaggebend für das gute Wahlergebnis war neben der von Erwin Teufel verantworteten vergleichsweise guten wirtschaftlichen Situation Baden-Württembergs auch die unterirdisch schlechte Performance der SPD, die sich auf dem besten Wege befindet, zu den bayrischen Sozialdemokraten aufzuschließen. Egal, was man von Günther Oettinger halten mochte - zu der bis dahin regierenden Koalition gab es auch beim besten Willen keine Alternative.

Nach einem kurzen, wohl dem Zeitgeist geschuldeten Sondierungskuscheln mit den Grünen wurde die Neuauflage der Schwarz-Gelben Koalition beschlossen. Man wartete gespannt, was denn an Neuem und Modernem nun kommen möge  - aber Fehlanzeige: Das Kabinett aufgebläht wie eh und je, kein einziges neues Gesicht in der Regierung und von den Wahlversprechen, wie z.B. dem Pflichtkindergartenjahr, nichts mehr zu hören. Dafür gibt es jetzt das schöne Ziel, im Jahr 2011 ohne neuen Schulden auszukommen - eigentlich eine gute Sache, wenn sie nicht unter Finanzierungsvorbehalt stünde.

Unterm Strich also nichts Neues im Südwesten - gar nichts.
Dies wäre nicht weiter schlimm; aber Erwin Teufel wurde ja mit dem Argument aus seinem Amt vertrieben, daß es jetzt endlich Zeit sei für neue Ideen und frischen Wind in der Landespolitik.
Es weht aber nicht einmal ein laues Lüftchen.